Wertekonflikte: Wie du sagst „So mache ich das nicht mit“, ohne alles zu verbrennen

Schwierige Persönlichkeiten und Situationen
Karriereentscheidungen: Für die Karriere gilt es gute Entscheidungen zu treffen - Karriere Coaching Berlin

Wertekonflikte: Wie du sagst „So mache ich das nicht mit“, ohne alles zu verbrennen

 

Führung auf Top-Level bedeutet Entscheidungen unter Druck, viele Interessen, wenig Zeit. Ein Teil dieser Entscheidungen fühlt sich anspruchsvoll an: viel Verantwortung, hohe Risiken, intensive Verhandlungen. Ein anderer Teil trifft eine tiefere Ebene: Situationen, in denen sich im Inneren alles zusammenzieht, weil ein Schritt deine Werte verletzen würde.

Genau dort entsteht die eigentliche Bewährungsprobe: Wie formulierst du klar „So mache ich das nicht mit“, hältst deine Linie und pflegst gleichzeitig wichtige Beziehungen? Dieser Artikel führt dich durch typische Szenen, innere Klärung, Gesprächsführung, Umgang mit Konsequenzen und die Kunst, dabei weder zum Märtyrer noch zum Retter zu werden.

 

 

 

Szenen aus dem“ Alltag: Deal mit Beigeschmack, Zahlenspielereien, Umgang mit Menschen

 

Drei Bilder zeigen, wo Wertekonflikte sichtbar werden.

 

Szene 1: Der Deal mit Beigeschmack

 

Ein wichtiger Kunde oder Partner bringt eine Vertragsidee ins Spiel. Auf dem Papier wirkt alles formal korrekt, in der Praxis verlagert das Konstrukt Risiken einseitig oder schafft eine Grauzone gegenüber Dritten. Im Raum fallen Sätze wie „so läuft das in der Branche“, innerlich entsteht ein klares Ziehen im Bauch.

 

 

Szene 2: Zahlenspielereien im Reporting

 

Kurz vor Quartalsende liegt das Ergebnis knapp unter Ziel. Im Führungskreis tauchen Vorschläge auf, Effekte zeitlich zu verschieben, Präsentationen „glatter“ zu formulieren oder kritische Aspekte sehr weit nach hinten in Anhänge zu verbannen. Excel-Sheets sehen sauber aus, das eigene Werteempfinden reagiert anders.

 

 

Szene 3: Umgang mit Menschen

Eine Führungskraft liefert Top-Zahlen, gleichzeitig entsteht in ihrem Umfeld Angst. Mitarbeitende berichten von Demütigungen, Druck, subtiler Drohkulisse. Auf der Managementebene steht die Frage im Raum: „Ergebnisse sichern oder Verhalten adressieren?“ Dein Bauch meldet klare Signale.

Diese Szenen zeigen, wo der Übergang von normaler Herausforderung zu echtem Wertekonflikt beginnt.

 

 

 

Unterscheidung: unbequem oder unethisch?

 

Wer verantwortet, erlebt viel Unbequemes. Unbequem meint:
• anspruchsvolle Entscheidungen unter Unsicherheit,
• klare Worte in Feedbackgesprächen,
• intensive Verhandlungen mit harten Forderungen,
• Priorisierungen mit spürbaren Konsequenzen.

Diese Situationen fördern Wachstum, Reife und Schärfe im Denken. Sie fühlen sich nicht immer angenehm an, stärken jedoch Kompetenz.

Unethische Schritte berühren eine andere Ebene:
• bewusste Irreführung von Kunden, Mitarbeitenden oder Partnern,
• Vorteilsgewinn durch Missachtung von Menschenwürde,
• bewusstes Ausblenden drastischer Folgen für andere,
• Handlungen, die die eigenen Grundwerte direkt verletzen.

Ein hilfreicher Test für die Einordnung lautet:

„Wie wirkt diese Entscheidung, wenn ich sie in zehn Jahren meinem erwachsenen Kind, einem engen Freund oder einer Person mit hohem moralischem Gewicht erzähle? Fühle ich dabei Stolz, Ruhe oder Scham, Enge, Ausweichbewegungen?“

Diese innere Rückmeldung liefert eine starke Orientierung.

 

 

 

Innere Werteklärung: Wofür stehe ich wirklich?

 

Je klarer dein innerer Kompass, desto leichter triffst du Entscheidungen mit ruhigem Gewissen. Eine einfache Werteklärung ergibt sich aus drei Fragen:

1. Welche drei Werte tragen meine Führung?
Beispiele: Ehrlichkeit, Verantwortung, Respekt, Fairness, Klarheit, Verlässlichkeit.

2. Wie zeigt sich jeder dieser Werte konkret im Alltag?

 

Zum Beispiel:
• Ehrlichkeit: „Ich spreche Themen direkt an und gestalte Berichte so, dass sie jeder Prüfung standhalten.“
• Verantwortung: „Ich berücksichtige Auswirkungen auf Mitarbeitende, Kunden und Eigentümer und vertrete getroffene Entscheidungen offen.“
• Respekt: „Ich fördere Leistung und behalte gleichzeitig die Würde jedes Menschen im Blick.“

3. Wo verläuft meine rote Linie?
• Welche Praktiken lehne ich grundsätzlich ab?
• Welche Worte kommen mir im Geschäftsleben nicht über die Lippen?
• Welche Art von Verhalten akzeptiere ich in meinem Umfeld nicht?

Schreibe deine drei Werte auf und ergänze jeweils einen Satz dazu. Dieses kleine Werte-Statement wirkt wie ein innerer Vertrag mit dir selbst. In schwierigen Momenten dient es als Referenz, nicht das Stimmungsbild im Raum.

 

 

 

Der Körper als Frühwarnsystem

 

Der Körper reagiert oft früher als der Verstand. Gerade in Wertekonflikten zeigt er sehr feine Signale:
• ein Ziehen im Magen,
• flachere Atmung,
• Druck im Brustkorb,
• innere Unruhe vor bestimmten Meetings,
• Gedankenkarussell nach bestimmten Entscheidungen.

Statt diese Signale wegzudrücken, kannst du sie bewusst nutzen:

„Mein Körper reagiert – er zeigt mir, dass hier eine Ebene berührt wird, die mir wichtig ist.“

Ein kurzer Moment der Selbstwahrnehmung hilft:
• Was fühle ich gerade im Körper?
• Welche Situation löst diese Reaktion aus?
• Welcher meiner Werte steht hier möglicherweise auf dem Spiel?

Diese Verbindung von körperlicher Wahrnehmung und Werten schärft deinen Blick und schützt vor „Wegargumentieren“.

 

 

 

Gespräch führen: „Ich kann das so nicht vertreten, weil …“

 

Wertekonflikte klären sich durch Sprache. Die Art, wie du dein Nein formulierst, entscheidet über Wirkung und Beziehung.

 

 

Einstieg mit eigener Position

 

Ein Satz mit „Ich“ signalisiert Verantwortung:
• „Ich kann diese Lösung in der aktuellen Form nicht vertreten, weil sie mein Verständnis von Transparenz unterschreitet.“
• „Unter diesen Rahmenbedingungen trage ich diese Entscheidung nicht mit, da sie meiner Vorstellung von fairem Umgang mit Kunden widerspricht.“

So markierst du deine Grenze, ohne Menschen persönlich anzugreifen.

 

 

Konkrete Begründung

 

Anschließend folgen klare Beispiele:
• „In der Präsentation entsteht ein Bild, das unsere Risiken deutlich kleiner erscheinen lässt, als sie tatsächlich wirken.“
• „Der Ton gegenüber Mitarbeitenden erzeugt Angst und führt zu innerem Rückzug, das sehe ich in den Teams sehr deutlich.“

Du beschreibst Verhalten und Wirkung statt moralischer Urteile.

 

 

Werte sichtbar machen

 

Dann verknüpfst du den Punkt mit deinem Kompass:
• „Mir liegt viel an Berichten, die jeder Prüfung standhalten und in jedem Kontext Bestand haben.“
• „Ich stehe für eine Führung, die Leistung honoriert und gleichzeitig Menschen respektiert.“

So versteht dein Gegenüber, worauf du dich innerlich stützt.

 

 

Alternative vorschlagen

 

Zum Abschluss bietest du Wege an:
• „Lass uns eine Variante entwickeln, die Zahlen klar zeigt und gleichzeitig gut erklärbar bleibt.“
• „Wir können Ziele anspruchsvoll setzen und gleichzeitig einen Umgangston etablieren, der Menschen stärkt.“

Dein Nein verbindet sich dadurch mit einem konstruktiven Ja zu einer anderen Lösung.

 

 

 

Verbündete im System: Verantwortung teilen

 

Wertearbeit im Unternehmen gelingt besonders gut, wenn mehrere Schultern sie tragen. Du musst nicht als Einzelperson das gesamte Ethikprogramm verkörpern.

Potenzielle Verbündete:
• Kolleginnen und Kollegen im Führungskreis, die ähnliche Werte teilen,
• Compliance-, Legal- oder Risk-Verantwortliche,
• Beiräte, Aufsichtsräte oder Gesellschafter mit klarem Wertefokus,
• externe Partner, die für Ethik, Governance oder Unternehmenskultur beratend zur Seite stehen.

Ein kurzer Schritt kann darin bestehen, eine Beobachtung im vertrauten Rahmen zu spiegeln:

„Mir fällt in Thema X ein Spannungsfeld zwischen kurzfristigem Erfolg und unserem Werteverständnis auf. Mich interessiert sehr, wie ihr das erlebt.“

So entsteht ein Feld, in dem sich Wertefragen gemeinsam klären lassen.

 

 

Umgang mit Konsequenzen: Plan A (Anpassung), Plan B (Veränderung), Plan C (Exit)

 

Werteorientierung wirkt nicht abstrakt, sondern konkret. Die Konsequenzen verdienen Klarheit – am besten in Form von drei Plänen.

 

Plan A: Anpassung im bestehenden Rahmen

 

In vielen Fällen lässt sich eine Lösung innerhalb der bestehenden Strukturen finden:
• Anpassung eines Deals,
• sauberere Definition von Kennzahlen und Berichtswegen,
• andere Kommunikationsform mit Mitarbeitenden,
• zusätzliche Sicherungsstufen bei sensiblen Entscheidungen.

Du bleibst im System und gestaltest.

 

 

Plan B: Veränderung im System

 

Manche Situationen legen nahe, Strukturen selbst zu entwickeln:
• Richtlinien für ethisches Verhalten,
• klar definierte Eskalationswege bei Wertekonflikten,
• Regeltermine, in denen kritische Themen offen angesprochen werden,
• Anpassung von Ziel- und Bonuslogiken, damit Werte und Ziele zusammenpassen.

Hier arbeitest du nicht nur an einem Einzelfall, sondern an der Kultur.

 

 

Plan C: Exit

 

Es existieren Kontexte, in denen dein Werteverständnis dauerhaft wenig Raum erhält. Dann entsteht ein Ausstieg als ehrliche Option:
• Rückzug aus einem Projekt,
• Verzicht auf einen Auftrag,
• Übergabe einer Rolle,
• Wechsel in ein anderes Umfeld.

Ein innerer Leitsatz kann lauten:

„Meine Integrität, meine Gesundheit und mein innerer Frieden bilden die Basis meiner Führung. Ein Setting, das diese Basis dauerhaft untergräbt, erhält keinen Vorrang vor meinem Leben.“

Ein gut vorbereiteter Exit mit klarer Kommunikation kann Respekt erzeugen und im Nachhinein als klares Statement in Erinnerung bleiben.

 

 

 

Nachsorge: Wie du nach einem Wertekonflikt bei dir ankommst

 

Gespräche rund um Werte berühren Identität, Selbstbild und manchmal auch Existenzfragen. Nach solchen Momenten lohnt bewusste Nachsorge.

Drei einfache Schritte:

 

1. Körper entlasten

Bewegung, ein Spaziergang, bewusstes Atmen, kurze körperliche Aktivität – der Körper verarbeitet Adrenalin und Anspannung.

 

 

2. Reflexion

Drei Fragen reichen:
• „Was lief in diesem Gespräch sehr stimmig?“
• „Wo wünsche ich mir beim nächsten Mal mehr Klarheit oder Ruhe?“
• „Welcher Wert von mir stand im Zentrum?“

 

 

3. Sparring nutzen

 

Ein Gespräch mit einer vertrauten Person, einem Coach oder Mentor erzeugt Abstand. Du kannst prüfen, ob dein Auftreten zu deinem inneren Bild passt und wo du dich weiterentwickeln möchtest.

So verwandelt sich ein Wertekonflikt von einer reinen Belastung in eine Lernschleife auf hohem Niveau.

 

 

Märtyrer- und Helfersyndrom: Werte vertreten ohne Selbstopfer

 

Zwei Muster wirken in diesem Feld besonders stark: der innere Märtyrer und der innere Retter.

 

 

Märtyrer-Muster

 

Der Märtyrer erlebt sich als einzige Person mit klarem Kompass und fühlt sich anderen moralisch überlegen. Innen entstehen Sätze wie: „Alle anderen machen Kompromisse, ich halte allein die Fahne hoch.“ Dieses Muster erzeugt Distanz und Einsamkeit.

Eine reifere innere Haltung lautet:

„Ich stehe zu meinen Werten und bleibe gleichzeitig im Dialog. Ich teile Verantwortung mit anderen und öffne Räume für gemeinsame Klärung.“

 

 

Helfersyndrom

 

Der Retter übernimmt die moralische Verantwortung für alle: „Ich verhindere, dass sich andere schuldig fühlen.“ Dadurch entsteht Überlastung und Entmündigung des Umfelds.

Ein alternativer Satz:

„Ich achte auf meine Werte und nutze meinen Einfluss in meiner Rolle. Andere Menschen tragen ihre eigene Verantwortung, ich biete Orientierung, nicht Erlösung.“

Diese Haltung lässt dich präsent bleiben, ohne dich aufzureiben.

 

 

 

Schlussgedanke: Klarheit leben, Beziehungen erhalten

 

Wertekonflikte gehören zum Leben von Manager:innen, Geschäftsführer:innen und Unternehmer:innen – besonders in komplexen Märkten, unter hohem Druck und mit vielen Stakeholdern. Die entscheidende Frage lautet: Wie gehst du damit um?

Du stärkst deine Führungsqualität, wenn du:
• typische Szenen erkennst, in denen dein innerer Kompass anspringt,
• zwischen unbequem und unethisch unterscheidest,
• deine Werte bewusst formulierst,
• deinen Körper als Verbündeten nutzt,
• Gespräche ruhig und klar führst,
• Verbündete im System einbindest,
• Pläne für Anpassung, Veränderung oder Exit entwickelst,
• und dich aus Märtyrer- und Rettermustern löst.

So sagst du „So mache ich das nicht mit“ in einer Weise, die weder Brücken sprengt noch dich selbst verrät. Genau dort entsteht eine Form von Führung, die Vertrauen weckt – bei anderen und bei dir selbst.

P.S.

 

Wie steht es mit Fragen, Anregungen, Erfahrungen?

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Die Artikel sind meist kurze Auszüge der umfangreicheren Kursunterlagen, die Teilnehmende im entsprechenden Gruppen- oder Einzeltraining oder im Coaching erhalten.

Autor: Karsten Noack
Erstveröffentlichung: 11. Mai 2008
Überarbeitung: 16. August 2025

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