Wenn du deinen eigenen ‚Chef erziehen‘ musst: Schwierige Gespräche nach oben
Schwierige Persönlichkeiten und Situationen
Wenn du deinen eigenen Chef „erziehen“ musst: Schwierige Gespräche nach oben
Manchmal führt dein Weg als Geschäftsführerin oder Geschäftsführer durch eine paradoxe Landschaft. Dein Team vertraut dir, die Ergebnisse überzeugen weitgehend, Prozesse laufen solide. Gleichzeitig erlebst du eine Ebene über dir, die impulsiv, sprunghaft oder von gekränkter Eitelkeit geprägt wirkt. Unten Respekt und Stabilität, oben Unruhe und Drama – und du stehst dazwischen. Viele Führungskräfte berichten in solchen Situationen innerlich Gedanken wie: „Ich halte das System zusammen“, „Ich filtere, beruhige, sortiere“, „Ich sorge dafür, dass aus den Launen da oben eine halbwegs tragfähige Linie entsteht.“ Aus dieser Dynamik entsteht oft das Gefühl, den eigenen Chef zu „erziehen“. Dieser Artikel zeigt Wege, wie du schwierige Gespräche nach oben professionell führst, ohne dich innerlich auszubrennen.
Typische Situation: Du bist Geschäftsführung, darunter Respekt, darüber Chaos
Im Alltag wirkt die Lage oft so: Dein Führungsteam erlebt dich als klaren Anker. Entscheidungen folgen einer erkennbaren Logik, Menschen wissen, woran sie sind, und vertrauen deiner Linie. Gleichzeitig strömen von oben Themen ein, die wenig Stabilität vermitteln. Spontane Kurswechsel kurz vor wichtigen Meetings, emotionale Mails am Wochenende, Auftritte, die eher an persönliche Inszenierung erinnern als an strategische Führung, setzen das System unter Strom. Mitarbeitende wenden sich an dich, weil sie Orientierung suchen. Der Eigentümer, der Vorstand oder die Muttergesellschaft erwartet Ergebnisse, Loyalität und Strahlkraft. In der Mitte entsteht die Rolle der permanent moderierenden Person. Du übersetzt, sortierst, strukturierst und glättest. Diese unsichtbare Zusatzarbeit trägt enorm zur Stabilität des Unternehmens bei und fordert gleichzeitig deine Kräfte jeden Tag aufs Neue.
Warum „erziehen“ oft heimlich passiert – und weshalb es so zermürbt
Der Begriff „erziehen“ taucht im offiziellen Vokabular selten auf, innerlich sehr häufig. Viele Top-Führungskräfte übernehmen zusätzliche Aufgaben, die weit über das formale Mandat hinausgehen. Sie regulieren emotionale Ausschläge nach oben, bereiten Auftritte so vor, dass sie im Unternehmen tragfähig wirken, federn impulsive Entscheidungen ab und binden irritierte Menschen wieder ein. Diese Arbeit erscheint oft selbstverständlich, da sie zur eigenen Professionalität passt. Gleichzeitig entsteht eine schleichende Erschöpfung. Der innere Satz „Ohne meine Moderation bricht hier vieles auseinander“ erhöht den Druck. Loyalitätskonflikte zwischen Eigentümer- oder Vorstandsebene und der eigenen Mannschaft verstärken die Spannung. Dauerhafte Alarmbereitschaft, nächtliches Grübeln und die ständige Frage „Wie viel halte ich dieses System noch?“ beschreiben das Empfinden vieler Betroffener sehr treffend. Genau hier setzt bewusste Gestaltung an: Du gewinnst Klarheit darüber, welche Verantwortung du tragen möchtest, welche Erwartungen du kommunizierst und wo du deine Energie gezielt schützt.
Klärungsgespräch nach oben: Was ich akzeptiere, was nicht – ohne Drama
Ein bewusst vorbereitetes Klärungsgespräch nach oben wirkt in solchen Konstellationen wie ein Reset. Ziel dieses Gesprächs ist ein gemeinsames Verständnis darüber, wie Zusammenarbeit aussieht, damit du deine Rolle kraftvoll ausfüllst und gleichzeitig die Erwartungen der oberen Ebene erfüllst. Die Vorbereitung beginnt bei dir.
Zuerst klärst du deinen Auftrag. Wofür stehst du in deiner Rolle als Geschäftsführung oder Top-Managerin? Welche Ergebnisse verantwortest du, welche Werte prägen deinen Führungsstil, welche Art von Zusammenarbeit stärkt deine Wirksamkeit? Anschließend sammelst du Muster, die dich belasten. Sprunghafte Richtungswechsel kurz vor wichtigen Terminen, abwertende Kommentare in großer Runde, direkte Eingriffe in operative Entscheidungen, die deine Autorität im Führungsteam schwächen, bilden Beispiele dafür. Danach formulierst du dein Wunschbild. Wie sieht eine Zusammenarbeit aus, in der du optimal wirkst? Welche Abstimmungsroutinen wünschst du dir, welche Kommunikationswege unterstützen beide Seiten, welche Spielregeln stärken das gesamte System?
Auf dieser Grundlage gestaltest du den Gesprächsaufbau. Du eröffnest das Gespräch mit Schwerpunkt auf gemeinsamer Verantwortung: „Mir liegt unsere Zusammenarbeit sehr am Herzen und ich wünsche mir, dass wir unsere Wirkung für das Unternehmen weiter erhöhen. Dafür schlage ich ein Gespräch über unsere Zusammenarbeit vor.“ Dann beschreibst du deine Rolle und deinen Beitrag. Im nächsten Schritt schilderst du konkrete Situationen und ihre Wirkung, stets mit Blick auf das System: „In den letzten Monaten erlebte ich mehrere kurzfristige Kurswechsel kurz vor wichtigen Meetings. Diese Dynamik erzeugt Unsicherheit im Führungsteam und mindert Umsetzungstempo und Fokus.“ Danach formulierst du deine Wünsche, zum Beispiel Vorlaufgespräche bei strategischen Richtungswechseln, klar definierte Zeitfenster für Abstimmungen vor Auftritten oder Feedback im vertraulichen Rahmen. Zum Schluss lädst du dein Gegenüber aktiv ein: „Mich interessiert sehr, wie Sie die Situation sehen und welche Erwartungen Sie an mich richten.“ So entsteht ein Dialog über Zusammenarbeit, statt eines versteckten Vorwurfs.
Kritik nach oben äußern, ohne dich zu opfern
Kritik nach oben erfordert Mut und Fingerspitzengefühl. Gleichzeitig stärkt sie deine Position, wenn du sie professionell formulierst. Eine bewährte Struktur lautet: Fakten, Wirkung, Wunsch. Du beschreibst zunächst eine konkrete Beobachtung, zum Beispiel: „Im letzten Steering-Meeting stellten Sie die Budgetplanung für das kommende Jahr spontan infrage.“ Anschließend schilderst du die Wirkung auf das System: „Für das Führungsteam zeigte sich die Situation als verunsichernd, mehrere Kolleginnen und Kollegen fragten danach nach der strategischen Linie.“ Dann folgt dein Vorschlag: „Ich schlage vor, strategische Richtungswechsel vor solchen Terminen im kleineren Kreis zu besprechen. So treten wir gemeinsam geschlossen auf und stärken die Wirkung nach innen und außen.“
Mit dieser Struktur respektierst du die Position deines Vorgesetzten und bringst zugleich wichtige Botschaften auf den Tisch. Gleichzeitig achtest du auf dich selbst. Du prüfst regelmäßig, wo deine Energie hingeht: In welche Zusatzaufgaben fließt besonders viel Kraft, ohne dass sie offiziell beauftragt wurden? Wo trägst du Verantwortung für emotionale Stabilität, die besser auf mehrere Schultern verteilt wird? Welche Gesprächsformen stärken deine Präsenz, Gesundheit und Entscheidungsfähigkeit? Diese Fragen helfen dir, Kritik nach oben mit innerer Klarheit und gesunden Grenzen zu verbinden.
Rote Linien und strategische Optionen: Wann ein konsequenter Schritt passt
So wertvoll Klärungsgespräche wirken, manche Konstellationen bleiben trotz aller Bemühungen destruktiv. Dann erreichst du den Punkt, an dem du strategische Optionen für dich selbst prüfst. Anhaltspunkte für rote Linien sind zum Beispiel dauerhafte Missachtung gemeinsamer Spielregeln, wiederholte öffentliche Degradierung von Führungskräften, bewusste Verletzung ethischer oder rechtlicher Standards, systematische Untergrabung deiner Rolle im Beisein Dritter oder destruktive Muster mit starker narzisstischer Prägung, die Vertrauen und Kultur massiv belasten.
In solchen Situationen hilft eine klare Betrachtung deiner Möglichkeiten. Eine Option lautet: Du bleibst und gestaltest bewusst. Das bedeutet, du führst weitere Klärungsgespräche, stärkst deine Strukturen, baust Allianzen im System auf und nutzt das Umfeld als Trainingsfeld für deine Führungsreife. Eine zweite Option fokussiert auf eine bewusste Begrenzung deines Einsatzes. Du erfüllst deinen Auftrag professionell, definierst deinen Energieeinsatz präzise, schützt dich emotional und investierst verstärkt in dein Netzwerk und deine langfristige Positionierung. Die dritte Option besteht in einem konsequenten Abschied aus der Konstellation. Du erkennst, dass deine Werte und das gelebte System dauerhaft auseinanderdriften, und nutzt deine Kraft für eine Aufgabe, in der deine Integrität und dein Können größeren Raum erhalten. Ein solcher Schritt wirkt oft wie ein Akt tiefer Selbstachtung.
Schutz vor emotionaler Vereinnahmung
#In vielen dieser Szenarien taucht ein weiterer Aspekt auf: die Gefahr emotionaler Vereinnahmung. Die Person über dir sucht in dir möglicherweise Stabilität, Regulierung, Resonanz und verleiht dir damit eine Rolle, die über das professionelle Mandat hinausreicht. Du wirst zur inoffiziellen Vertrauensperson, zur emotionalen Ausgleichsfigur und zum Dauer-Sparringspartner für persönliche Themen, die nur begrenzt zum Unternehmenskontext passen.
Hier hilft klare Rollenklärung. Du bist Geschäftsführung, Bereichsleitung oder Top-Manager, kein individueller Dauertherapeut der übergeordneten Ebene. Du kannst empathisch, zugewandt und klar agieren und gleichzeitig die Grenze halten. Hilfreich wirken Sätze wie: „Für diese Frage stehe ich Ihnen als Sparringspartner im Rahmen unserer Zusammenarbeit gern zur Verfügung“ oder „Dieses Thema gehört für mich eher in einen anderen Rahmen, zum Beispiel in ein persönliches Coaching oder eine vertrauliche Beratung.“ So signalisierst du Bereitschaft zur Unterstützung und hältst trotzdem dein eigenes Zentrum.
Parallel schützt du dich durch gute Dokumentation wichtiger Entscheidungen, klare Protokolle und transparente Kommunikation mit relevanten Gremien. Du pflegst tragfähige Beziehungen im System, etwa zu Kolleginnen und Kollegen im Vorstand, Beirat oder Gesellschafterkreis. Dadurch verteilst du Verantwortung auf mehrere Schultern und reduzierst das Risiko, alleinige emotionale Anlaufstelle zu werden.
Zwei Beispiele aus der Praxis
Ein erster Fall:
Ein Geschäftsführer in einem mittelständischen Unternehmen führte ein starkes Team, die Zahlen stimmten, Kundenbeziehungen wirkten stabil. Über ihm stand ein charismatischer Inhaber mit hoher Energie und stark wechselnden Stimmungen. Kurz vor wichtigen Präsentationen änderte dieser regelmäßig zentrale Botschaften, sandte emotionale Mails an Sonntagen und griff direkt in operative Themen ein. Der Geschäftsführer begann, den Inhaber intensiv zu „coachen“. Er filterte Botschaften, moderierte Stimmungsschwankungen, bereitete Auftritte aufwändig vor und übernahm einen Großteil der emotionalen Last im System.
Im gemeinsamen Coaching klärten wir seinen Auftrag, formulierten konkrete Wünsche an die Zusammenarbeit, legten eine klare Struktur für ein Klärungsgespräch fest und definierten rote Linien. In zwei sehr bewussten Gesprächen vereinbarte der Geschäftsführer feste Abstimmungsroutinen und klare Kommunikationspfade. Ein Teil der Dynamik beruhigte sich spürbar, der verbleibende Anteil wurde für ihn durchschaubar. Parallel entwickelte er eine mittelfristige Perspektive für seine Karriere. Diese Kombination aus Klarheit und Handlungsfreiheit brachte ihm spürbare Entlastung.
Ein zweiter Fall:
Eine erfahrene Geschäftsführerin einer internationalen Geschäftseinheit erhielt einen neuen Vorstand als Vorgesetzten. Fachlich stark, gleichzeitig sensibel für Widerspruch und mit ausgeprägtem Bedürfnis nach Bestätigung. In Gremienrunden kommentierte er Beiträge von Führungskräften mit ironischen Spitzen, stellte Entscheidungen kurzfristig infrage und lebte eine stark hierarchische Kommunikation. Die Geschäftsführerin spürte den Impuls, permanent zu moderieren, Wogen zu glätten und das Team zu schützen. Sie bereitete jede Sitzung über Stunden vor, versorgte den Vorstand mit Zusatzinformationen und stand innerlich ständig bereit, Spannungen zu entschärfen.
Im Coaching definierte sie ihre eigenen Standards für respektvolle Zusammenarbeit, entwickelte eine Struktur für Feedback nach oben und erarbeitete klare Sätze für kritische Momente.
In einem fokussierten Gespräch mit dem Vorstand schilderte sie konkrete Situationen, deren Wirkung auf das Führungsteam und ihre Wünsche an die künftige Form der Zusammenarbeit. Der Vorstand reagierte zunächst zurückhaltend, stimmte jedoch regelmäßigen Jour fixe Terminen zu, in denen beide Seiten Perspektiven abgleichen. Mit der Zeit gewann die Geschäftsführerin mehr Einfluss auf die Tonlage im Unternehmen und erlebte ihre Rolle als deutlich stimmiger.
Führen nach oben als Königsdisziplin
Führung zeigt sich nicht nur darin, wie du dein Team leitest, Entscheidungen triffst und Strategien umsetzt. Eine besonders anspruchsvolle Dimension liegt in der Qualität deiner Gespräche nach oben. „Den eigenen Chef erziehen“ beschreibt das Empfinden vieler Führungskräfte, die zwischen Verantwortung nach unten und herausfordernden Persönlichkeiten nach oben stehen. Du stärkst deine Position, wenn du diese Dynamik bewusst betrachtest, Klärungsgespräche mutig führst, Kritik professionell äußerst, deine roten Linien erkennst und dich vor emotionaler Vereinnahmung schützt.
Zum Abschluss drei Reflexionsfragen für dich: An welcher Stelle erlebst du gerade, dass du nach oben moderierst, strukturierst oder beruhigst?
- Welche eine Veränderung in der Zusammenarbeit mit deinem Vorgesetzten würde deine Lage deutlich entlasten?
- Welcher nächste Schritt – Gespräch, Klarstellung, Grenzziehung oder strategische Neuorientierung – fühlt sich für dich stimmig an?
Genau in diesen Fragen liegt enormes Potenzial für deine Entwicklung als Führungspersönlichkeit. Und falls du dir bei solchen Schritten einen vertraulichen Sparringspartner wünschst: Solche Situationen stehen im Zentrum meiner Arbeit mit Geschäftsführern, Vorständen und Inhabern, die sich souverän in komplexen Macht- und Persönlichkeitskonstellationen bewegen möchten.
Unterstützung
Einen Überblick, wobei ich im Rahmen von Coaching und Beratung (keinerlei Rechtsberatung!) unterstütze, habe ich hier vorbereitet.
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Die Artikel sind meist kurze Auszüge der umfangreicheren Kursunterlagen, die Teilnehmende im entsprechenden Gruppen- oder Einzeltraining oder im Coaching erhalten.
Autor: Karsten Noack
Erstveröffentlichung: 11. Mai 2008
Überarbeitung: 16. August 2025
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