Parallelismus als rhetorisches Stilmittel
Taugt das, oder kann das weg?Parallelismus
Brauche ich das noch oder kann das weg? Wozu ist das rhetorische Stilmittel des Parallelismus heute noch zu gebrauchen?
Überblick
Parallelismen
Hilfst du mir, helfe ich dir. Der Parallelismus ist ein rhetorisches Stilmittel durch die Wiederholung derselben Wortreihenfolge in Sätzen, die aufeinander folgen. Gleiche Satzarten, die nacheinander folgen, weisen eine identische Abfolge ihrer Satzglieder (Subjekt, Prädikat, Objekt, Adverb etc.) auf. Oft werden sogar Wörter wiederholt, was die Parallelität verstärkt.
Der Begriff geht auf das griechische Wort παραλληλισμός (paralleles) zurück, was soviel bedeutet wie gleichlaufend oder in diesem Fall Nebeneinanderstellung. Die Übersetzung verweist somit darauf hin, worum es hier geht; um gleichlaufende, nebeneinandergestellte Satzglieder. So einfach ist das? Naja… Es gibt ein paar unterschiedliche Formen:
Formen
Zu den verschiedenen Formen des Parallelismus gehören antithetischer, parabolischer, stufenartiger, synonymer und synthetischer Parallelismus.
Antithetischer Parallelismus
Der antithetische (gegensätzlich, Gegensätze enthaltend) Parallelismus ist häufig im Einsatz. Während die Abfolge der Satzglieder gleich bleibt, wird die Aussage durch Bildung einer Antithese verstärkt. So stehen sich widersprüchliche Begriffe gegenüber, die die jeweilige Botschaft eindringlich vermitteln.
Beispiele:
- Kleine Kinder, kleine Sorgen – große Kinder, große Sorgen.
- Friede den Hütten, Krieg den Palästen.
- Lang war der Weg, kurz war der Kampf.
- Schnell lief er hin, langsam kam er zurück.
- Sein Bestes zu geben, muss nicht immer gut sein.
Parabolischer Parallelismus
Als parabolisch (eine Parabel betreffend, auf ihr beruhend, in der Art einer Parabel) oder auch allegorisch wird eine Aussage bezeichnet, die nur sinnbildlich zu verstehen ist. Der parabolische Parallelismus arbeitet mit unterschiedlichen Ebenen. So beinhaltet diese Form eine Bild- und eine Sachhälfte. Das heißt, dass der erste Teil ein Bild entwirft, das der zweite Teil auf die Sachebene überträgt.
Beispiel:
- Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten. (Psalm 103, 13)
Stufenartiger Parallelismus
Dieser Form des Parallelismus liegen dreigliedrige Verse zugrunde, die sich inhaltlich steigern und die Satzglieder zugunsten der Erhöhung der Aussagekraft parallel anordnen. Die Wiederholung entscheidender Worte im Laufe der einzelnen Versglieder ist ein typisches Merkmal dieser Form, wobei der Gedanke vorangetrieben wird.
Beispiel:
- Gewaltiger als vieler Wasser Gebraus, gewaltiger als die Brandung der Meere: allgewaltig in der Höhe ist Gott. (Psalm 93, 3-4)
Synonymer Parallelismus
Typisch für einen synonymen Parallelismus ist, dass die Wörter im ersten Teil mit denen aus dem zweiten Teil synonym sind und somit das Gleiche bedeuten. Da der Sinn der parallel angeordneten Satzglieder identisch ist, könnten die Wörter bei manchen synonymen Parallelismen ausgetauscht werden.
Beispiele:
- Mein Gott, hilf mir aus der Hand des Gottlosen, aus der Hand des Ungerechten und Tyrannen.
- Ich bin entdeckt, ich bin durchschaut (Friedrich Schiller in Maria Stuart).
Synthetischer Parallelismus
Beim synthetischen Parallelismus führt der zweite Satz- oder Versteil den ersten fort, wiederholt diesen nicht noch einmal, sondern entfaltet die Aussage weiter und bestimmt sie genauer. Bei einem solchen synthetischen Parallelismus ist die Parallelität der Satzglieder und Satzarten häufig kaum gegeben.
Beispiele:
- Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? (Psalm 27, 1)
- Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. (Psalm 23, 1)
- Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen? (Psalm 27, 2)
Weitere Beispiele jenseits des Vatikans
Allgemein
- Ein Mann, eine Frau, ein Rendezvous.
- Erst gurten, dann starten.
- Heiß ist die Liebe, kalt der Schnee. (Hermann Lens in Rote Husaren)
- Hilfst du mir, helfe ich dir.
Beispiele aus der Politik
In der politischen Rede wird das Gesagte häufig bei Nutzung der gleichen Form mit etwas abgewandeltem Inhalt wiederholt. Dadurch erfolgt die Verstärkung der Worte und es hält den Gedanken noch einen Moment länger im Bewusstsein der Zuhörer, da dieser nicht sofort vom nächsten abgelöst wird.
- Wer, wenn nicht wir, kann die gewaltigen Aufgaben unserer Zeit angehen? Wann, wenn nicht jetzt, können wir die Chance nutzen? (Angela Merkel)
- Dies war mehr als ein Parteitag der Bestätigung. Dies wurde zu einem Parteitag der zuverlässigen Orientierung … (Willy Brandt)
- Wir Sozialdemokraten treten an, die Regierung des Stillstandes abzulösen. Wir treten an, die notwendige Modernisierung menschlich zu gestalten. (Gerhard Schröder)
- Ein Leben in Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. (John F. Kennedy)
Verwandtschaften
Mit dem Parallelismus verwandt sind der Chiasmus und die Antithese.
Das stilistische Gegenstück ist der Chiasmus, bei dem die einzelnen Satzglieder nicht parallel, sondern gekreuzt, also beinahe spiegelbildlich, angeordnet werden.
Häufige Verwechslungen gibt es mit Anapher und Epipher. Doch, während bei der Anapher und der Epiphora mehrere Sätze immer mit demselben Wort oder derselben Wortgruppe beginnen bzw. enden, erkennen Sie den Parallelismus an derselben Anordnung der Satzglieder in mehreren Sätzen oder Satzteilen. Beim Parallelismus gibt es immer denselben Satzbau, auch wenn die Wörter unterschiedlich sein können.
Verwendung
Was Sie davon haben, wenn Sie Parallelismen verwenden? Mit diesem rhetorischen Stilmittel verleihen Sie Ihren Reden mehr Gewicht und machen sie gleichzeitig übersichtlicher und leichter erfassbar. Wird ein Parallelismus mit einem Trikolon, einer Alliteration oder Anapher bereichert, wird die rhythmische Wirkung einer Rede beachtlich gesteigert.
Fazit
Das ist doch mindestens so alt wie das alte Testament … Alt ja, altbacken nein! Die Einsatzmöglichkeiten von Parallelismen sind – auch jenseits der Kirchenkanzel – umfangreich und deshalb lernen fortgeschrittene Redner mehr über deren zeitgemäßen Einsatz in der Rhetorik in den Kursen Rhetorik & Präsentation III und Rhetorik & Präsentation IV.
Die Artikel sind meist kurze Auszüge der umfangreicheren Kursunterlagen, die Teilnehmende im entsprechenden Gruppen- oder Einzeltraining oder im Coaching erhalten.
Autor: Karsten Noack
Erstveröffentlichung: 21. Mai 2004
Überarbeitung: 10. April 2024
AN: #371
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Die Artikel sind meist kurze Auszüge der umfangreicheren Kursunterlagen, die Teilnehmende im entsprechenden Gruppen- oder Einzeltraining oder im Coaching erhalten.
Autor: Karsten Noack
Erstveröffentlichung: 9. Mai 2006
Überarbeitung: 10. April 2024
AN: #43352
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