Rhetorische Fragen in Gesprächen, Reden und Präsentationen
Rhetorische Fragen als rhetorisches StilmittelRhetorische Fragen
In diesem Beitrag geht es darum, ein beliebtes rhetorisches Stilmittel zu entstauben und sein Potenzial zu überdenken. Worauf kommt es beim Einsatz rhetorischer Fragen an?
Überblick
Rhetorische Fragen
Rhetorische Fragen sind Fragen, die der Fragensteller entweder selbst beantwortet oder die nicht beantwortet werden müssen. Es handelt sich um ein sehr wirksames Werkzeug für Reden und Präsentationen. Sie werden sehr häufig bewusst oder unbewusst in alltäglichen Gesprächen verwendet. In Politik und Werbung ist ihnen besonders häufig zu begegnen.
Äußerlich unterscheidet sich eine rhetorische Frage nicht von einer gewöhnlichen Frage. Der wesentliche Unterschied ist, dass mit ihr vom Gegenüber keine laut geäußerte Antwort erreicht werden soll.
Formen und Wirkung
1. Getarnte Aussage
Zur Beeinflussung werden rhetorische Fragen eingesetzt, indem die Frage lediglich als solche getarnt und in Wirklichkeit selbst eine Aussage ist.
Dann handelt es sich um eine Scheinfrage, denn sie beinhaltet die Antwort schon selbst. Sie wird so dafür verwendet, um eine Aussage besonders nachdrücklich zu äußern. Die Antwort auf die Frage wird vom Fragenden bestimmt, wodurch sie als selbstverständlich gilt. Auf diese Weise sollen Suggestivformulierungen annehmbarer werden.
2. Denkanregung
Das Publikum soll dazu gebracht werden, sich selbst eine Antwort zu wählen. So wird auch ein möglicher Widerstand reduziert. Wobei hier häufig durch den Aufbau und die Betonung der Fragestellung gelenkt.
3. Dramatik
Mit rhetorischen Fragen kann das Publikum aufgerüttelt werden, die Rede wird dramatischer. So soll die Aufmerksamkeit des Publikums gewonnen werden. Diese Form des Einsatzes ist legitim und kann sehr wirkungsvoll sein.
Beispiele
Willst du krank werden?
Eltern zum Kind
Sie glauben doch nicht, dass ich mir das gefallen lasse?
Wie lange willst du, Catilina, unsere Geduld noch missbrauchen?
Marcus Tullius Cicero, Reden gegen Catilina
Wären Sie nicht auch gerne glücklich?
Gibt es hier jemanden, der das Geheimnis der Gesundheit wissen will?
Verwandtschaft zu anderen rhetorischen Stilmitteln
Die Hypophora ist eng mit der rhetorischen Frage verwandt. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der Redner die selbst gestellte Frage im Anschluss auch selbst beantwortet. So wird die Aussage, die durch die Frage mitschwingt, nochmals betont, ohne das Publikum ernsthaft einzubeziehen.
8 Tipps für den Einsatz rhetorischer Fragen
1. Wirksame Pause
Machen Sie nach der Äußerung einer rhetorischen Frage eine Pause, in der sie wirken kann. Erzeugen Sie so den gewünschten Spannungsbogen. Timing erfordert Erfahrung und wo es sich lohnt, kann das während der Proben für Reden und Präsentationen optimiert werden.
2. Blickkontakt
Schauen Sie Ihr Publikum so an, dass es nicht zu einer lauten Antwort veranlasst wird. Sie wollen bei einer rhetorischen Frage einen inneren Dialog anstoßen und laut geäußerte Antworten sind oft nicht günstig für die Dramaturgie.
3. Betonung
Markieren Sie Ihre rhetorische Frage durch eine geeignete Sprechgeschwindigkeit, Lautstärke und Betonung.
4. Wohldosierter Einsatz
Integrieren Sie rhetorische Fragen und andere rhetorische Stilmittel gekonnt in Ihren Redebeiträgen. Wenn Sie mit zu vielen Stilmittel die Rede unnötig in die Länge ziehen, leidet die Wirkung. Übertreiben Sie den Einsatz von rhetorischen Fragen lieber nicht. Das kommt nicht gut an, denn es kann belehrend wirken.
5. Kontext
Achten Sie beim Einsatz auf den jeweiligen Kontext. Die Wirkung der rhetorischen Frage wird vom Kontext beeinflusst, in dem sie gestellt wurde. Was in einer Situation sehr gut funktioniert, kann in einer anderen zum Schadensfall werden.
6. Vorsicht vor Floskeln
Werden rhetorische Fragen als Floskeln empfunden, wirkt das klischeehaft und einfallslos.
7. Nur bitte nicht zu provokativ
Eine gewisse Portion Provokation ist hilfreich, um die Aufmerksamkeit zu fördern. Wenn sich das Publikum allerdings bedrängt oder gar beleidigt fühlt, geht das nach hinten los.
8. Seien Sie kreativ
Bleiben Sie am Ball und experimentieren Sie mit diesem stilistischen Mittel, um dynamische und originelle Redebeiträge zu gestalten.
Fazit
Kaum ein anderes rhetorisches Stilmittel ist so bekannt wie die rhetorische Frage. Deswegen ist sie aber keineswegs ausgelutscht. Im Gegenteil: Sie ist deshalb so bekannt, weil sie so vielseitig ist wie kaum ein anderes Mittel der Rhetorik. Sie können der erste Schritt zur Lösung sein – vorausgesetzt, es sind die richtigen Fragen. Die Aufmerksamkeit lässt sich jedenfalls mit ihnen gewinnen.
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Autor: Karsten Noack
Erstveröffentlichung: 13. Juni 2013
Überarbeitung: 3. August 2020
Englische Version:
AN: #562
K: CNB
Ü:
Wie wird erreicht, dass alle Personen im Publikum wissen, dass es sich um eine rhetorische Frage handelt und nicht wirklich laut antworten? Das ist mir mehrmals passiert.
Gute gemachte rhetorische Fragen sind leider selten.
Oft benutzt und bisher nur darüber nachgedacht wie das mit rhetorischen Fragen ist?
Gut gemacht mag ich rhetorische Fragen. Allerdings werden rhetorische Fragen so unüberlegt verwendet, dass es weh tut.