Ich will ins Fernsehen! Um jeden Preis berühmt werden? Wozu?

Weshalb wollen so viele Menschen unbedingt berühmt sein? Ruhm ist ein Luftballon - das Leben ist die Nadel, die ihn berührt.
Um jeden Preis berühmt werden?

Berühmt, berühmter, am berühmtesten, am aller berühmtesten, …

 

Weshalb wollen heutzutage so viele Menschen unbedingt berühmt sein? Was steckt hinter der Sehnsucht?

Definition: Berühmt, was oder wer ist das?

 

Was bedeutet „berühmt“? Meinen wir alle das Gleiche, wenn wir darüber sprechen? Ist „berühmt“ identisch mit „berüchtigt“?

Ist jemand berühmt, wenn er oder sie von der Mehrheit der Weltbevölkerung auch ohne Schminke wiedererkannt wird? Oder zählt auch der lokale oder zielgruppenspezifische Bekanntheitsgrad? Gibt es da einen akzeptierten Standard, ein Gütesiegel und wer könnte es vergeben?

Schnell berühmt werden oder wer zum Teufel ist Paul Bocuse?

Wer ist berühmt?

 

Sind die Sternchen der Boulevardpresse berühmt oder berüchtigt? Und wer bitte ist Paul Bocuse?

Einige der für mich wesentlichsten Persönlichkeiten werden in den jeweiligen Bereichen gefeiert, sind aber außerhalb so gut wie unbekannt. Manche sind schon im Jenseits und werden noch lange im Gespräch sein, während andere nach kurzer Zeit in Vergessenheit geraten. Im Vergleich zu manch einem Big Brother Insassen ist selbst deren Ruhm vergleichsweise anhaltend und mit Bewunderung verbunden, statt mit Mitleid. Viele Exoten sind bekannt für… Ja wofür eigentlich?

Genügt schon ein Schmähgedicht zu Erdoğan? Wobei das schon mehr Geist hat, als die Lebensleistung einiger B-Promis. Macht das berühmt oder ist das schon bald Schnee von gestern?

Ein anderes Beispiel sind Sportler, die mitunter eine weitreichende Aufmerksamkeit erhalten. Und doch gibt es viele sehr gebildete Zeitgenossen, die nicht einen Namen der Goldmedaillengewinner der letzten Olympischen Spiele oder eines Fußballers der Nationalmannschaft nennen können. Personen und Themen haben unterschiedliche Relevanz. Wer zum Teufel war Paul Bocuse (externer Link)? Also ich bekomme Appetit bei dem Namen, obwohl ich in der Region Lyon mehr Zeit bei Tante Alice (Lyon: 22, rue des remparts d’Ainay) verbracht habe. Sie verstehen nur Bahnhof? Genauso ist das mit den persönlichen Helden.

 

 

 

Es ist oft anders, als es scheint

 

In den Bereichen, in denen ich aktiv bin, gibt es einige Anbieter, die mehr oder weniger erfolgreich ins Horn blasen, um einen möglichst umfangreichen Bekanntheitsgrad zu erreichen. Interessanterweise sind viele der bei Auftraggebern besonders begehrten Experten für die Allgemeinheit unbekannt. Innerhalb der mitunter auch recht übersichtlichen Zielgruppe werden sie jedoch als Geheimwaffe gehandelt und haben hier einen legendären Status. Den Status gibt es allerdings nicht über Nacht oder durch das rücksichtslose Brechen von Tabus des guten Anstands.

 

 

 

Berühmtheit hat ihren Preis

 

Pragmatiker meinen Lorbeer macht nicht satt: besser, wer Kartoffeln hat. Doch erstaunlich viele Menschen verspüren das Verlangen aus der Anonymität der Masse zu entkommen, berühmt zu sein – auf Teufel komm raus. Sie quälen sich durch Castings, lassen sich in Talentwettbewerben bloßstellen und sind schon für eine homöopathische Dosis Aufmerksamkeit bereit, selbst auf ein Mindestmaß an Selbstrespekt zu verzichten. Allzu häufig sind es Menschen ohne herausragende Fähigkeiten, die auf diese Weise ihrem gewohnten gesellschaftlichen Umfeld entfliehen möchten. Das kann dann durchaus bizarre Formen annehmen. Ich bin ein Star, holt mich hier raus.

 

 

 

Medien induzierte Popularität

 

Es war einmal: Wenn das künstlerische Talent fehlte, dann genügte zumindest für einen Moment eine Portion Freizügigkeit, um die Aufmerksamkeit zu bekommen. Raus aus den Klamotten reichte noch vor einer Weile, heute braucht es mehr. Nur wovon? Es gibt Menschen, die sind bekannt, weil sie wirklich etwas können. Molière meinte, der Ruhm muss dem Verdienst entsprechen. Heute scheint nicht jeder dieser Meinung zu sein. Berühmt für das Berühmt sein genügt als höchstes Ziel. Tatenlosigkeit prangern nur die Neider an. Manches Publikum bevorzugt solche Kandidaten sogar. Talent würde bei der Identifizierung nur stören. Es vermittelt dem Zuschauer die Illusion, er selbst hätte eine reelle Chance, Berühmtheit zu erlagen.

 

 

 

Club der B-, C- und D-Promis

 

Auf den Spuren der Kardashians wandeln viele Suchende dem Seligkeit versprechenden Himmel der Stars und Sternchen entgegen. Für einige ist es der scheinbar einzige Weg, ihrem Leben Sinn zu geben. Na dann, willkommen im Club der B-, C- und D-Promis – wer es braucht. Mir sympathischer: Wer eitlen Ruhm verachtet, wird wahren ernten, sagte Titus Livius. Aber wer hört noch auf solche Geister?

So ist das halt mit Zeitgeist. Einstein ist tot, Newton ist tot und mir ist auch schon ganz elend. Ruhm darf das Ergebnis und nicht das Motiv unseres Handelns sein.

 

 

 

Anlass für diese Gedanken

 

Weshalb wollen nur so viele Menschen unbedingt berühmt sein? Eine TV-Produktion hat mich um Gedanken zum Thema Berühmtheit gebeten. Es wurde explizit ein Video auf dem Fahrrad gewünscht. Bevor jetzt wieder böse E-Mails kommen: Ich habe es in einem Park aufgenommen und nicht auf einer öffentlichen Straße!

 

 

 

Fazit

 

Es ist nett, wichtig zu sein, aber es ist oft wichtiger, nett zu sein.

P.S.

 

Um jeden Preis berühmt werden? Wozu?

7 Kommentare

  1. TV an, sofortige Bestätigung des Artikels …. TV aus :-)

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  2. Wer unbedingt berühmt sein möchte hat vermutlich ein zu geringes Selbstbewusstsein und andere persönliche Defizite von denen abgelenkt werden soll. Ich finde diesen Trend ekelhaft.

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  3. Was diese Menschen sich davon versprechen ist mir nicht nachvollziehbar. Ein Hinweis auf zunehmenden Narzissmus?

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  4. Das Phänomen ist ein weiterer trauriger Hinweis auf fehlende Persönlichkeit und niedrige Triebe.

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  5. Reich und schön!

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  6. Die Differenzierung des berühmt und berüchtigt sein gefällt mir gut. Das darstellen der Boulevard-Berühmtheit und der Nischen-Legenden… schön geschrieben, danke für den tollen Input.
    ct

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Die Berühmtheit mancher Zeitgenossen hängt mit der Blödheit der Bewunderer zusammen. Heiner Geißler

Die Artikel sind meist kurze Auszüge der umfangreicheren Kursunterlagen, die Teilnehmende im entsprechenden Gruppen- oder Einzeltraining oder im Coaching erhalten.

Autor: Karsten Noack
Erstveröffentlichung: 7. August 2017
Überarbeitung: 1. Juli 2020
AN: #52551
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