Antike Redegliederung: Von wegen staubig!
Das fügt sich, wie die Ziegel auf dem Dach.
Antike Redegliederung
Die wohl älteste Gliederungsformel stammt aus der Antike und funktioniert auch heute noch hervorragend für Reden und Präsentationen. So überzeugen Sie ganz klassisch.
Überblick
- Zurück zu den Wurzeln: Die Antike Redegliederung
- Antike Redestruktur
- Mehr?
- Antike Redegattungen
- Arbeitsphasen der antiken Redekunst
- Redebereiche in der antiken Rede
- Stilarten in der antiken Rede
- Qualitäten
- Mehr für die Praxis?
- P.S.
- Ergänzende Artikel
Zurück zu den Wurzeln
Die Griechen und Römer haben die Redekunst gepflegt. Sie hatte ein recht hohes Ansehen in diesen Kulturen. Dass die Glaubwürdigkeit des Redners, also sein Ethos, ein Pfund ist, mit dem er wuchern kann, das ist spätestens seit Aristoteles bekannt. Und auch sonst können wir einiges aus dieser Blütezeit der Rhetorik lernen. Beispielsweise beim Aufbau von zeitgemäßen Reden und Präsentationen.
Redestruktur
Die wohl älteste Gliederungsformel für Reden stammt aus der Antike; die antike Redegliederung. Sie eignet sich besonders für umfangreichere Reden. Da fügt es sich, wie die Ziegel auf dem Dach. Sie ist wie folgt aufgebaut:

1. Wohlwollen gewinnen
Im ersten Schritt geht es darum, das Publikum darauf vorbereiten, sich die Sichtweise des Redners überhaupt anzuhören.
2. Ist-Situation beschreiben
Ohne Bewertung wird die bisherige Entwicklung und der aktuelle Stand beschrieben. Dadurch werden die Voraussetzungen für die kommenden Schritte vorbereitet.
3. Alternativen nennen
Welche weiteren Möglichkeiten existieren?
4. Begründen der Empfehlungen, Vorteile erörtern
Weshalb bevorzugen Sie Ihre Empfehlung?
5. Gegenargumente entkräften
Welche Gegenargumente könnte es geben und wie entkräften Sie diese?
6. Zusammenfassen
Fassen Sie zusammen und kommen Sie zur Schlussfolgerung.
7. Begeistern
Bringen Sie das Publikum in Bewegung.
8. Zum Handeln auffordern
Was soll das Publikum nun tun?
Anmerkung
Die Schritte 6. bis 8. werden in der klassischen Form als Schlussfolgerung (conclusio) bezeichnet.
Mehr?
Sie wünschen noch etwas mehr Hintergrundwissen zur antiken Redekunst? Gut! Hier ein paar Stichpunkte:
Antike Redegattungen
Es werden in der antiken Redekunst drei Formen der Rede nach ihren möglichen Wirkungen beim Publikum unterschieden:
1. Gelegenheitsrede
Die Gelegenheits- oder auch Festrede (genus demonstrativem) lobt oder (seltener) tadelt eine Person. Im Fokus steht die Gegenwart.
2. Beratende Rede
Die beratende Rede, politische Rede oder auch Staatsrede (genus deliberativum) beschäftigt sich mit dem pro und contra eines Themas. Sie wird in einer Versammlung beziehungsweise im Gerichtssaal gehalten, um eine Entscheidung herbeizuführen. In ihrem Fokus steht die Zukunft.
3. Gerichtsrede
Die Gerichtsrede (genus iudicale) wird auf der einen Seite zur Anklage und auf der anderen Seite zur Verteidigung eingesetzt. Im Fokus einer Gerichtsrede steht vergangenes Handeln.
Arbeitsphasen der antiken Redekunst
Arbeitsschritte des Redners (officia oratoris):
1. Auffinden der Hauptgesichtspunkte (inventio)
In der Phase der inventio sammelt der Redner die zum Redeanlass gehörenden Gedanken. Um die wichtigen Aspekte eines Themas zu erkennen, kann er sich der Fragemethode der Topik bedienen. Das systematisierte Frageraster der Topik ähnelt den 6 W-Fragen (Wer, wie, wo, was, warum, wann). So sammelt der Redner zunächst sogenannte Allgemeinplätze (griechisch Topoi und lateinisch loci).
2. Stoffgliederung (dispositio)
Im zweiten Schritt der Redeerstellung, der dispositio, werden die gefundenen Argumente in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht. Eine gute Rede hat einen klaren Aufbau mit einer Struktur, so dass das Publikum leicht folgen kann. Wenn die Argumente und Informationen willkürlich über die ganze Rede verteilt sind, steigt das Publikum aus.
3. Sprachliche Gestaltung (elocutio)
Hier geht es um die sprachliche Ausformulierung. In diesem dritten Schritt dreht sich alles um den passenden Stil (aptum). Welchen und wie viel Redeschmuck verwende ich? In welcher Stilebene möchte ich sprechen, welche passt zu meinem Publikum und zum Thema meines Textes? Diese Fragen stellt sich der Redner. Er kann sich wiederum an bestimmten Regeln orientieren, die bestimmen, welcher Stil der angemessene ist.
4. Auswendiglernen (memoria)
Vorgelesene Reden haben in der Regel keine besondere Wirkung. Zumal wenige Menschen gute Vorleser sind. Deshalb geht es an das Auswendiglernen der Rede. Als klassische Methode werden zwei Techniken kombiniert; die LOCI-Technik und als vertiefendes Hilfsmittel selbsterschaffene Gedächtnisbilder als Anker (Imagines).
Heute setze ich in der Redevorbereitung eher auf das Einprägen, das Verinnerlichen einer Rede, als auf das wortwörtliche Auswendiglernen. Wobei auch hier die genannten Techniken sehr hilfreich sind.
5. Vortrag (pronuntiatio, actio)
Die actio oder pronuntiatio, das Präsentieren der Rede vor Publikum, bildete bei all diesen Schritten das wesentliche Ziel des Redners. Dabei spricht er nicht nur mit der Stimme, die er laut, leise, schnell, langsam, den Umständen angemessen zu gebrauchen weiß. Auch die nonverbale Seite der Kommunikation mit dem Publikum ist in die Kunst des Vortragens mit einzubeziehen. Dazu zählen beispielsweise die Körpersprache, aber auch das Zeigen von Bildmaterial und das Präsentieren von Zeugen.
Redebereiche in der antiken Rede
In der antiken Rhetorik werden verschiedene Redebereiche (partes orationis) unterschieden:
1. Die Einleitung
Eine Rede sollte dieser Theorie nach mit der Einleitung (exordium) beginnen, die auf die Einstimmung des Zuhörers abzielt.
Im ersten Teil der Rede, dem (exordium), soll zunächst die Aufmerksamkeit der Zuhörer und deren Wohlwollen erweckt werden (attentum parare und capatio benevolentiae). Zugleich bereitet das exordium das Publikum in geeigneter Weise auf den restlichen Vortrag vor. Das kann durch einen direkten Einstieg (principum) oder, wenn das Thema brisant ist, durch einen indirekten Einstieg in die Rede (insinuatio) geschehen.
Obwohl sie am Anfang der Rede steht, wird empfohlen, die Einleitung als letzte zu formulieren, um das Publikum bestmöglich auf den späteren Inhalt vorzubereiten.
2. Der Sachverhalt
Weitergeführt wird die Rede mit der Darlegung des Sachverhaltes. Dieser Redeteil wird auch narratio genannt. Der Redner hat die Aufgabe, die Sachlage zu erörtern, wobei bereits hier die eigene Partei in ein möglichst gutes Licht gerückt wird. Um der Gefahr zu entgehen Langeweile (taedium) beim Publikum hervorzurufen, soll sich die narratio durch Kürze (brevitas) und Klarheit (perspicuitas) auszeichnen.
3. Die Argumentation
D ie Einführung in die Argumente (Division).
4. Die Beweisführung
Die Beweisführung, also der Beweis der eigenen Argumente (confirmatio).
5. Die Entkräftung von Einwänden
Die Widerlegung der gegnerischen Argumente (confutatio).
6. Die Schlussfolgerung
Der Abschluss der Rede (conclusio). Im anfänglichen Beispiel in drei Schritte unterteilt:
- Zusammenfassen
- Begeisterung steigern
- Handlungsaufforderung
Stilarten in der antiken Rede (genera dicendi)
Unterscheidung:
- Schlichter Stil (genus subtile)
- Mittlerer gemischter Stil (genus Medium, mixtum)
- Erhabener Stil (genus grande, sublime)
Qualitäten
Wert wurde auf die folgenden Stilqualitäten (virtutes dicendi) gelegt:
- Sprachrichtigkeit (lavinias)
- Deutlichkeit (perspicuitas)
- Angemessenheit (abtun, accommodatum)
- Redeschmuck (ornates)
- Kürze (brevitas)
Mehr für die Praxis?
Genug Theorie? Mehr zum praktischen Einsatz antiker Redekunst erfahren Sie im Kurs Rhetorik & Präsentation III. Und das ganz ohne Altgriechisch und Latein.
Ergänzende Artikel
- Redestrukturen für deinen Redeaufbau: Gut für den Redner, gut für das Publikum
- Überzeugend präsentieren: Struktur für Ihre Rede
- Redestruktur: Als Redner mit der Kompromissformel ein Ergebnis herbeiführen
- Bessere Reden mit der AIDA-Redeformel
- Gestern-Heute-Morgen-Redeformel
- Pro-und-Kontra-Redeformat
- Präsentieren mit der Fünf-Punkte-Gliederung
- Tipps Rhetorik, Präsentation und …
- Was darf die Vorbereitung einer Rede kosten, welcher Aufwand ist gerechtfertigt?
5 Kommentare
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Glossar
Im Glossar warten Informationen zu gängigen und nicht so gängigen Begriffen rund um die strategische Rhetorik und Kommunikation. Rhetorik, Marketing und Psychologie ergänzen sich. Wo Glossar und Artikel aufhören, fängt die Arbeit mit mir an. Ich sorge dafür, dass du sowohl mit Persönlichkeit als auch Botschaft überzeugst –in Gesprächen und Präsentationen.
Frage ruhig! Wenn du trotz Suche zu einem interessanten Begriff nicht fündig geworden bist, sende mir doch eine Nachricht.


Die Artikel sind meist kurze Auszüge der umfangreicheren Kursunterlagen, die Teilnehmende im entsprechenden Gruppen- oder Einzeltraining oder im Coaching erhalten.
Autor: Karsten Noack
Erstveröffentlichung: 6. März 2015
Englische Version: https://www.karstennoack.com/ancient-speech-structure-speeches-presentations/
Überarbeitung: 15. August 2019
AN: #54395
Wenn ein Autor schon so ausführlich auf antike Begriffe verweisen will, ist es schade, dass der Beitag mit so vielen Abschreibfehlern im Lateinischen behaftet ist (bei den geneira dicendi): latinitas, aptum und ornatus sind zu wichtige Begriffe, als dass man sie Internetnutzern falsch beibringen dürfte!
Vielen Dank für die Rückmeldungen. Das Latein nicht zu meinen Sprachen gehört bin ich für Empfehlungen zur Korrektur sehr dankbar. Was genau sollte anders sein?
Sprachrichtigkeit: latinitas
Angemessenheit: aptum
Redeschmuck: ornatus
Wie üblich werden allgemeine Meckereien gepostet, statt hilfreicher konkreter Verbesserungshinweise.
Ich würde helfen, wenn ich Lateinisch könnte.
Danke! ;-)