Der Körper spricht – so oder so. Im Artikel erfahren Sie, wie Sie Ihre Botschaft in Reden und Präsentationen mit einer überzeugenden Körpersprache unterstützen.
Analyse der Körpersprache des Bundespräsidenten Christian Wulff
Analyse der Körpersprache des Bundespräsidenten Christian Wulff
Wie glaubhaft wirkt das Fernsehinterview?Diesen Beitrag schrieb ich nach dem Interview beim Spiegel zum Thema Körpersprache des Bundespräsidenten. Gewünscht wurde eine Analyse des Fernsehauftritts des Bundespräsidenten Christian Wulff. Am Abend des 4. Januars 2011 beantwortete er im eher geschützten Rahmen die Fragen zweier Journalist:innen.
Die Fragen an mich:
- Wie steht es körpersprachlich um Amt und Würde des Bundespräsidenten?
- In welchem Verhältnis stehen das Gesagte und die Körpersprache?
- Was bewirkt die Körpersprache?
Das Video meines Beitrags bei Spiegel Online finden Sie hier (externer Link).
Anmerkungen
Den Kopf gesenkt, die Ellbogen auf der braunen Tischplatte, die Hände ineinander gefaltet. So sitzt er da, der Bundespräsident Christian Wulff. In seinen Worten sind wenig Selbstzweifel erkennbar; „Ich weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe, aber nicht alles richtig war, was ich getan habe.“. Körpersprachlich sieht es anders aus: Zahlreiche Hinweise auf eine innere Zerrissenheit sind während des Auftritts ersichtlich. Und sie sind auch nachvollziehbar. Es ist womöglich der wichtigste Moment in seiner Karriere. Schließlich ist Herr Wulff dort sowohl als Bundespräsident und auch als private Person unter Druck. Und von jeder dieser Rollen wird etwas anderes erwartet.
Vom Bundespräsidenten erwarten wir die Würde des Amtes. Ein Bundespräsident hat eine vereinigende und repräsentierende Aufgabe. Diese Rolle ist mit einem hohen Symbolwert und damit mit Status verbunden. Im Interview war davon allerdings nicht viel zu sehen.
Im Gegenteil; körpersprachlich macht er sich während des Interviews immer kleiner. Ein hoher Status zeigt sich zum Beispiel durch eine aufrechte Haltung. Wir sehen aber einen Mann mit einem oftmals gebeugten Rücken, der immer wieder versuchte, dem Status gerecht zu werden, indem er sich aufrichtet.
Die Beine waren unter dem Stuhl zurückgezogen, um möglichst wenig Raum zu beanspruchen und um nur keine Ansprüche geltend zu machen. Das macht jemand, der sich um eine Ausbildungsstelle bewirbt und richtig unter Druck steht. Überkreuzte Füße signalisieren eine geschlossene Körperhaltung und Schutzhaltung.
In Momenten, die ihm vermutlich unangenehm sind, fällt es ihm besonders schwer den Journalist:innen in die Augen zu schauen.
Es scheint, als ob ein Teil in ihm zu den Vorwürfen nichts sagen möchte, er aber gleichzeitig dazu gezwungen wird, es doch zu tun. Es ist zwischendurch zu sehen, wie seine Augen flackern. Das ist ein Hinweis dafür, dass das Gesagte nicht unbedingt im Einklang mit den Gefühlen steht. Dieses Augenflackern lässt sich bewusst sehr schlecht steuern, da macht sich das Unbewusste bemerkbar. Überhaupt wirken seine Augen nervös und müde. So wirkt er als Opfer und lässt den Betrachter mitleiden.
Von der Privatperson Wulff möchten wir Auskunft und Einsicht. Aber wir wollen auch einen Bundespräsidenten, der uns repräsentiert. Schließlich ist das sein Job! Und für den bezahlen wir ihn.
Einsicht signalisiert er mit seinem Auftritt nicht. Was bleibt, ist der Eindruck einer Zerrissenheit. Der Konflikt zwischen den Ansprüchen des Amtes und den Forderungen der Öffentlichkeit wird nach diesem Auftritt nicht geringer.
Rückblick
Am Ende war der Druck doch zu groß. Bundespräsident Christian Wulff erklärte am 17. Februar 2012 seinen Rücktritt. Gerade im Rückblick zeigt sich wie wichtig eine angemessene Reaktion in solchen Situationen ist. Es geht im Wesentlichen um die Wahrnehmung.
Ergänzende Artikel
- Körpersprache: Wie sie eingesetzt wird, wie sie gelesen wird. So überzeugen Sie!
- Treffen Emmanuel Macron und Wladimir Putin in Versailles
- Fragestunde Theresa May und Jeremy Corbyn
- Analyse Donald Trumps Körpersprache in Brüssel beim NATO-Gipfel
- Live in Sendung für die Deutsche Welle zu Donald Trump’s Körpersprache in Brüssel
- Donald Trumps Körpersprache beim Zusammentreffen mit Xi Jingping
- TV-Duell Merkel vs. Schulz mit Körpersprachenanalyse
- Hillary Clinton’s Körpersprache
- Körpersprache: Lance Armstrong bei Oprah Winfrey
- Körpersprache, die Ihnen schadet: 15 Gesten, die Sie lieber vermeiden sollten
- Rhetorik-Check und Körpersprache der Bundeskanzlerin Angela Merkel
Anmerkungen
In den Beiträgen der Serien Körpersprache und Rhetorik-Check geht es darum die rhetorische Wirkung ausgewählter Personen zu analysieren. Jegliche politische Bewertung bleibt dabei außen vor und ist auch in den Kommentaren nicht erwünscht. Stattdessen geht es darum anhand der Beispiele zu erkennen was unter welchen Umständen funktioniert und was nicht, was lässt sich für eigene Zwecke lernen. Mit anderen Worten; es geht nicht um das Nörgeln, sondern das Aufdecken von Potenzialen.
20+ Tipps: Körpersprache in Ihrer Präsentation. Was hilft, was schadet!
Rhetorik und Körpersprache von Markus Söder
Wie steht es mit der Körpersprache und der Rhetorik von Markus Söder? Wie lässt sie sich interpretieren und was wirkt wie im Hinblick auf eine Kanzlerkandidatur?
Rhetorik und Körpersprache von Annalena Baerbock und Robert Habeck
Wie steht es mit der Körpersprache der Kanzlerkandidaten der Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck?
Macken & Marotten? Ist das noch normal, schlimm oder liebenswert?
Marotten werden weitgehend unbewusst ausgeführt und selber nicht mehr wahrgenommen. Sie können liebenswert oder nervig sein. Und selbst?
Thalamus: Was Redner:innen über die grauen Zellen wissen sollten!
Thalamus? Wir werden den ganzen Tag lang mit Informationsangeboten bombardiert, die Reize können schon mal zu Überflutung führen. Der Thalamus will helfen.
Laserpointer und weshalb Sie lieber anders präsentieren sollten
Mitunter ist es schwer sich auf Redner oder Beamerpräsentation zu konzentrieren, zu wild flitzt der Lichtfleck über die Folien und zeichnet lustige Formen darüber. Bei aufgeregten Rednern wird auch gleich der Herzschlag visualisiert. Nicht, dass ich etwa gegen eine Retro-Lasershow hätte. Das ist so schön 70er. Nur ist das bisher noch kein Grund gewesen einer Präsentation beizuwohnen.
Sanftmut ist etwas für Weicheier? Von wegen: Sanftmut ist eine Stärke.
Sanftmut ist ein Wort, das in den Debatten zu Werten oder Hitlisten attraktiver Persönlichkeitseigenschaften keinen der vordersten Plätze belegen würde. Viele meinen, dass Sanftmut einer Schwäche, Furchtsamkeit oder Passivität entspringt. Doch sie ist eine persönliche Stärke.
Körpersprache: Was bedeutet Gänsehaut?
Hochsommer 35 Grad Celsius, 0 % Regenwahrscheinlichkeit, doch selbst bei solchem Wetter kann sich eine Gänsehaut bilden. Was bedeutet Gänsehaut?
Ironie in der Rhetorik: Ist Ironie Bereicherung oder Teufelswerk?
Kommen Sie mit Ironie klar? Wie gut macht sich Ironie in Rhetorik und Kommunikation; hilfreich oder gefährlich? Das ist zu beachten. Tipps aus der Praxis.